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Großer Abschied vor der Villa Grün

Text: Holger J. Becker-von Wolff, Öffentlichkeitsreferat für das Evangelische Dekanat an der Dill

Pfarrerin Ulrike Schmidt wird am Sonntag, 19. Juli 2020 in den Ruhestand verabschiedet

Dillenburg (hjb). Seit wenigen Tagen ist Pfarrerin Ulrike Schmidt (63) im Ruhestand – und es fühlt sich gut für sie an: „Ich kann länger schlafen und habe deutlich weniger Whatsapp-Nachrichten, Mails, Termine und mehr Zeit für meine Enkelin, solange sie noch in Dillenburg ist“, sagt sie lachend zur Begrüßung. 21 Jahre war sie Pfarrerin in der Oranienstadt Dillenburg, insgesamt war sie 33 Jahre im Pfarrberuf, davon etliche Jahre in Teilzeit. Am Sonntag, 19. Juli 2020 wird sie um 14 Uhr von Pröpstin Annegret Puttkammer entpflichtet.
 
Die Mutter zweier erwachsener Töchter hat seit 2008 eine volle Pfarrstelle in Dillenburg. Gemeinsam mit wechselnden Kollegen im Pfarrteam hat sie viele Menschen in den zurückliegenden Jahren begleiten dürfen. „Sehr gerne habe ich an der Juliane-von-Stolberg-Schule Religion unterrichtet, mich in der kirchlichen Frauenarbeit engagiert, Weltgebetstage mit vorbereitet, viele Gottesdienste und Trauerfeiern gestaltet. Menschen in den unterschiedlichen Lebenssituationen zu begleiten, das ist ein besonderes Geschenk in diesem Beruf. An die langjährige Zusammenarbeit mit Erika Bahl und Gerda Lipp  beim Erstellen des Gemeindebriefes „Kontakte“ denke ich auch gerne zurück.“

Auch in anderen Gemeinden im Dekanat ausgeholfen

Im Dekanat hat sie zeitweise in anderen Gemeinden mit ausgeholfen: So war sie zu Vertretungsdiensten über längere Zeit in Haiger, im Ambachtal, in Ballersbach und im Dietzhölztal tätig: „In Ewersbach gab es damals für kurze Zeit die drei Schmidts – mit Pfarrer Ernst-Ulrich Schmidt, Pfarrer Jonas Schmidt und mir der Pfarrerin Ulrike Schmidt“. Den Vorsitz im Vorstand der Diakoniestation Dillenburg will sie noch bis zu den nächsten KV-Wahlen 2021  ehrenamtlich beibehalten. Seit 1999 ist sie Mitglied im Zweckverband der Diakoniestation, seit 2015 Vorstandsvorsitzende. Was alles im Ruhestand sein kann, weiß sie noch nicht so genau, vermutlich keine Langweile. Eine Tochter in Rostock und eine in Sizilien geben ihr bestimmt hin und wieder Reiseziele vor.
 
Am Sonntag, 19. Juli 2020 wird sie um 14 Uhr von Pröpstin Annegret Puttkammer entpflichtet. „Wenn das Wetter mitspielt, soll das im großen Park vor der Villa Grün auf dem Dillenburger Schlossberg geschehen“, sagt Ulrike Schmidt, „Sollte es schlechtes Wetter geben, findet der Gottesdienst zur Verabschiedung in der Stadtkirche statt. Unter Corona-Bedingungen dürfen da aber nur 30 Personen mit hinein, das wäre schade“.  
 
Viele Weggefährten sind zur „Open-Air“-Verabschiedung eingeladen. Da bietet sich die große Wiese vor der Villa Grün auf dem Schlossberg gut für an. Alle Teilnehmenden werden gebeten zur Ankunft einen Mund-Nasen-Schutz zu tragen und sich auf eine Liste einzutragen. Etwa einhundert Stühle sind vorhanden, wer sicher gehen möchte, bringt sich einen eigenen Klappstuhl mit. Grußworte sollen kurz gehalten und vorher im Gemeindebüro angemeldet werden. Schriftliche Grüße sind willkommen. Die Kollekte ist auf Wunsch von Pfarrerin Ulrike Schmidt für die blauen Fenster am neuen Zwingel-Gemeindehaus bestimmt. Auch der Gottesdienst wird möglichst kurz gehalten, denn um 15.15 Uhr soll es italienisches „Eis für alle“ geben.

Propst hat sie ermutigt, Theologie zu studieren

„Zu meiner Zeit gab es erst wenige Mädchen, die das Abitur machten“, erzählt Ulrike Schmidt, die eigentlich Jugendreferentin in der kirchlichen Jugendarbeit werden wollte. Doch es gab damals keine Zusage von der Ausbildungsstätte. Ein Gespräch mit ihrem Gemeindepfarrer Hans-Wilhelm Stein, dem späteren Propst, gab den entscheidenden Impuls Theologie zu studieren. „Er hat mich ermutigt, diesen Weg einzuschlagen. Mit dem Theologie-Studium war der Pfarrberuf aber noch weit entfernt für mich“.
 
Erst nach einem mehrwöchigen Gemeindepraktikum in Arvada/Colorado in den Vereinigten Staaten entschloss sich Ulrike Schmidt 1980, das Studium abzuschließen und Pfarrerin zu werden: „Weil Menschen Menschen brauchen“, dieser Slogan, mit dem die Evangelische Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) für den Pfarrberuf damals warb, habe sie zusätzlich bewegt. „Es gibt Familien in Dillenburg, da habe ich getraut, getauft, konfirmiert, beerdigt. Das Begleiten über die Kasualien, das verbindet“, sagt sie.

Der Talar: „Mein bestes und teuerstes Kleid.“

Anfänglich war ihr der schwarze Talar nicht geheuer. „Ich hatte Angst damit zu gehen und zu stolpern, aber mittlerweile ist es mein liebstes und teuerstes Kleid: Es passt immer, egal welche Figur gerade zu mir gehört“, sagt Schmidt schmunzelnd. Vor 35 Jahren hat sie die Amtstracht gekauft – statt des Bäffchens hat sie einen weißen Rundkragen gewählt. „Die Entscheidung ist damals im Vikariat gefallen mit anderen Kurskolleginnen und es war gut so. Ich war in Gemeinden mit lutherischem und mit reformiertem Bekenntnis tätig und unsere hessen-nassauische Landeskirche ist uniert. Der weiße Kragen gibt kein theologisches Bekenntnis zu erkennen; es ist das „Bekenntnis“, dass ich als Frau den Pfarrberuf ausübe.  

Zur Person

Ulrike Schmidt wurde in Dautphetal-Holzhausen in der Nähe von Gladenbach geboren. Das Abitur hat sie in Biedenkopf abgelegt. Evangelische Theologie studierte sie in Bethel, Göttingen und Marburg. Nach bestandenem Examen absolvierte sie das Vikariat von 1985 bis 1987 in Ortenberg in der Wetterau.  Am 9. August 1987 wurde sie von Propst Helmut Grün in der evangelischen Kirchengemeinde Langenbergheim ordiniert. Dort trat sie ihre erste Dienststelle an, die mit einem Zusatzdienst zur Mithilfe in der Gehörlosenseelsorge in Friedberg versehen war. Heuchelheim bei Gießen war die nächste Stelle, danach  die Kirchengemeinden Dexbach und Engelbach bei Biedenkopf bevor sie 1999 nach Dillenburg wechselte.

Bild: ©Holger J. Becker-von Wolff