Text: © Chistine Bahl
Bilder: © Ev. Kirchengemeinde/ Ch. Bahl und Ursula Krug-Richter
Das Vorhaben erinnert ein wenig an die spannende Sarkophag-Öffnung Mitte 2019 in der Johanniskirche in Mainz, bei der man die 1000 Jahre alten sterblichen Überreste eines Kirchenmannes fand und später beweisen konnte, dass es Erzbischof Erkanbald ist, der dort zur letzten Ruhe gebettet wurde. Einziger Unterschied: Hier bei uns in der Stadtkirche in Dillenburg wusste man ganz genau, wer in den Zinksärgen begraben liegt und wessen Ruhe nun im Namen der Forschung ein wenig gestört werden würde – nach über 400 Jahren!
Grund für die spektakuläre Öffnung eines Sarges in der Stadtkirchengruft ist ein wissenschaftliches Projekt, das den Verbleib der Gebeine Graf Adolf von Nassau-Dillenburg seit vielen Jahren erforscht. Geboren am 11. Juli 1540 in Dillenburg, kam der Freiheitskämpfer am 23. Mai 1568 im Kampf während des Achtzigjährigen Krieges (1568–1648) bei Heiligerlee in den Niederlanden ums Leben. Sein Leichnam wurde zunächst in einer Klosterkirche in der Nähe von Groningen beigesetzt, aus Sorge vor der Rache der Spanier jedoch wurde er später mehrfach umgebettet und in eine sicherere, heute unbekannte Grabstelle überführt.
Dr. Lammert Doedens, niederländischer Historiker und Forscher, der auch bei der Sargöffnung in Dillenburg anwesend war, vermutet schon lange, untermauert durch intensive Recherche, dass sich Graf Adolfs Gebeine in der Lamberti-Kirche in Oldenburg in einem Sammelsarg befinden könnten. Bei einer Heizungssanierung 1937 wurden hinter einer Mauer im Keller Knochensammlungen entdeckt. Zwei Personen konnte man identifizieren, den Rest der Knochen legte man zusammen in einen weiteren Sarg. Nachfolgende Untersuchungen ergaben, dass hier die Gebeine Graf Adolfs liegen könnten.
Mindestens haltbar bis …
2017, nach einer erfolglosen DNA-Entnahme an den menschlichen Überresten Graf Johanns VII. von Nassau-Siegen, einem Neffen Graf Adolfs, in der Fürstengruft im Unteren Schloss in Siegen, wird nun in unserer Stadtkirche mit Erbprinz Heinrich August Wilhelm (1700–1718) ein weiterer direkter Nachfahre beprobt. Da das Skelett des Ur-Ur-Ur-Enkels eines Bruders von Graf Adolf in Dillenburg über vier Jahrhunderte in einem gut verschlossenen Zinksarg und einem relativ trockenen Raum lag, erhofft man sich einen besseren Erhalt der Knochen als bei der ergebnislosen Entnahme in Siegen.
Endlich soll die Vermutung in Gewissheit verwandelt werden: In Oldenburg liegen die menschlichen Überreste des Grafen Adolf von Nassau-Dillenburg!
Die Öffnung des Sarges wurde unter Aufsicht des Forschungsteams Dr. Lammert Doedens (im Auftrag des Universitätsmuseums Groningen) sowie Dr. Birgit Großkopf (Anthropologin des Johann-Friedrich-Blumenbach Instituts in Göttingen) von der Spezialfirma Wibbeke aus Geseke durchgeführt. Die Proben selbst entnahm dann Frau Dr. Großkopf.
In einem Zeitraum bis zu vier Generationen ist eine Veränderung der Haplotypen der Y-Chromosomen-Linie nicht anzunehmen und sofern kein ”Kukuckskind“ vorkam, kann also auch mit diesem entfernteren Familienmitglied eine direkte Verwandtschaft unzweifelhaft festgestellt werden.
Kirchenbaurat Wolfgang Feilberg von der kirchlichen Denkmalspflege der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) sowie der Kirchenvorstand der Ev. Kirche Dillenburg gaben also die Erlaubnis für die DNA-Entnahme beim Erbprinzen Heinrich August Wilhelm, der leicht zugänglich hinter dem Altarraum der Kirche in der Gruft gebettet liegt. Natürlich hätten Vater und älterer Bruder des Grafen Adolf, die ebenfalls in unserer Stadtkirche begraben liegen, direktere Verwandtschaftsgrade gehabt – Graf Adolf war der jüngste Bruder von Wilhelm von Oranien –, doch diese sind nur mit hohem Aufwand zu erreichen, da sie in einer Krypta unterhalb des Chorraumes bestattet sind.
Ein besonderer Moment
”Ich bin sehr erfreut, wenn ich durch mein Mitwirken dazu beigetragen habe, die Ungewissheit über die Skelettreste in der Kirche in Oldenburg zu klären. So durfte ich bei der Sargöffnung dabei sein und einen Blick in den geöffneten Sarg des jungen Erbgrafen werfen. Ich war erstaunt wie gut der Zustand des Verstorbenen nach ca. 400 Jahren ist.“
Ursula Krug-Richter, Vorstandsvorsitzende des Kirchenvorstands in Dillenburg
Die Beprobung fand unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt und einzig Projektbeteiligte und Gäste sowie Ursel Krug-Richter, unsere Kirchenvorstandsvorsitzende und seit vielen Jahren auch zuständig für die historischen Kirchenführungen in der Stadtkirche, durften einen Blick in den Sarg werfen. Auch ein echter Nachfahre kam zur Sargöffnung seines Verwandten nach Dillenburg: Clemens Graf Stolberg-Stolberg von der Fürst zu Solms-Braunfels’schen Rentkammer aus Braunfels war anwesend und vertrat den heimischen Familienzweig der Stolbergs. Ein spannender und besonderer Moment …
Ob die Verwandtschaft bewiesen werden kann und Graf Adolf tatsächlich in Oldenburg begraben liegt, werden wir in 2 bis 3 Monaten erfahren!
Auch im niederländischen Fernsehen wurde über die Sarg-Öffnung berichtet. Der Bericht (in niederländischer Sprache) beginnt bei Minute 10:45 und endet bei 17:51.
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