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Ein Frohes Neues Jahr uns allen!

Das Jahr 2023 – was wird es wohl bringen?  

Werden wir unsere Wohnungen und Häuser im Winter ausreichend heizen können? Wird endlich Frieden einkehren im Osten Europas und an so vielen anderen Orten unserer Erde? Und immer wieder Corona: Gibt es eine neue Welle oder eine neue Virus-Mutation?  Die Prognosen für 2023 sind eher düster, die Sorgen und das Sich-Sorgen groß. Manchmal ists gut, von sich selbst wegzusehen, um wieder Orientierung und Halt zu finden: Die Jahreslosung für das vor uns liegende Jahr 2023 setzt uns auf eine Spur. Folgen wir ihr: „Du bist ein Gott, der mich sieht!“ 1. Mose 16,13. Die Geschichte aus dem 1. Mosebuch, aus dem die Jahreslosung stammt, handelt von einer Frau namens Hagar. Sie wurde vielleicht in ihrem Leben nie richtig wahrgenommen. Sie hatte wenig Rechte und wird als ägyptische Sklavin von Abraham schwanger, dessen Nebenfrau sie war. Sie bekommt ein Kind, Ismael, den Stammvater der Araber. Die Geburt stößt Sara, Abrahams Frau, übel auf und Hagar wird aus der Familie verbannt. Sie fällt tiefer als je zuvor, wird in der Wüste allein gelassen. Dem Verhungern, Verdursten nah, nimmt sie die Gegenwart Gottes wahr. In Gestalt eines Engels wird ihr, ihrem Kind und dessen Zukunft ein gutes Leben und Segen zugesprochen. 

„Du bist ein Gott, der mich sieht!“ Der Satz, den Hagar sagt, kann im Hebräischen, in der Sprache des Alten Testaments, in zwei Worte gefasst werden: „El-roi“ – fortan ein Gottesname. 

 „El-roi“: Ist das auch Ihr, auch dein, auch mein Name für Gott? Können wir uns darauf verlassen, dass wir Gott nicht egal sind? „El-roi“ – du bist ein Gott, der mich sieht! – Gilt das auch dann, wenn sich Lebenswünsche nicht erfüllen oder uns sogar großes Leid  trifft – und wenn Krieg herrscht? Ich möchte darauf vertrauen: Gott ist ein Gott, der mich sieht. Aber Gott sieht uns nicht so, wie so manche das in unserer frommen Dilltal-Region in ihrer Kindheit mit erhobenem Zeigefinger eingebläut bekommen haben: „Der Herr Jesus sieht alles!“ Nein, so nicht. 

Gott ist nicht der große Kontrolleur, dem nichts verborgen bleibt und vor dem uns grauen müsste. Gott ist vielmehr der große Liebende, der uns nach Hause lieben möchte. Gott ist auf der Suche nach uns, nach Ihnen, nach dir und nach mir, nicht als Fahnder, sondern als liebender Vater, der sein Kind sucht, ein Teil seiner selbst – und diesen Gott sehen wir an Weihnachten „elend, nackt und bloß“ in einem Kripplein liegen. Gott ist „El-roi“, ein Gott, der auf uns sieht und der sich sorgt; der tagein, tagaus nach seinen Kindern ruft und mit der Erfahrung fertig werden muss, dass sie nicht hören. Ein Gott, der sich aus Liebe verzehrt, dem es weh tut, wenn er sieht, was aus seinen Kindern geworden ist, wie einer dem anderen zur Plage, gar zum Mörder wird. Gott sieht seine Kinder und Gott sucht seine Kinder, aber er findet sie nicht. Völlig verrannt haben sie sich und verändert haben sie sich dabei. Darf man es so salopp sagen? Uns war auf anderem Wege nicht mehr beizukommen, darum hat Gott sich auf den Weg zu uns gemacht. Aus dem Himmel kam er nicht mehr nahe genug an uns heran, darum macht Gott sich auf und kommt mitten unter uns. Ganz nah, menschlich, verletzlich, eben liebevoll.  Als Kind in der Krippe kommt er, „um zu suchen und zu retten, was verloren ist“ (Lukas 19,10). 

Wir sehnen uns nach einer geheilten Welt, nach Frieden, Mitmenschlichkeit und Glück. Gott teilt diese Sehnsucht mit uns. Aber er sagt zugleich: „Eure Sehnsucht entstand, weil wir auseinander gerissen wurden. Bei mir habt ihr Leben in Fülle, verliert die Angst, die euch untereinander sogar in die Gewalt treibt. Eure Sehnsucht nach Frieden, sie ist die Kehrseite eurer Sehnsucht nach mir. Aber ihr sucht mich nicht mehr, sondern ringt verzweifelt darum, eure Sehnsucht selbst zu stillen.“

Gott sehnt sich nach uns Menschen. Er sehnt sich danach, uns zu verändern, damit unsere Sehnsucht gestillt wird. Wir können sie nicht selber stillen. Wahrer Friede kommt von innen und wirkt sich nach außen aus. Kein Friede, wenn wir Menschen nicht friedlich werden. Um uns zu verändern kam Gott zu uns. 

Es sind gewiss keine einfachen Zeiten, in denen wir leben. Schwer sind sie und vielleicht werden sie im nächsten Jahr noch schwerer. Vieles ist brüchig geworden und flüchtig in unserem Leben. Ich glaube: Früher oder später erleben wir das alle, dass uns niemand einen Halt geben kann, der unter der gleichen Not leidet wie wir selbst, der oder die genauso gefährdet im Leben steht. Im Bild gesprochen: Wir können den Anker, der unser Leben halten soll, nicht in das Boot werfen, in dem wir alle miteinander unterwegs sind. Der Anker muss auf Grund geworfen werden. Unser Leben ist wild und stürmisch, turbulent und gefährlich, so dass einem angst und bange werden kann. 

Ich wünsche mir, dass wir gemeinsam Frieden, Halt und Geborgenheit auch in den Stürmen bei Gott finden. Wir finden sie, wenn wir uns hinein erzählen in Gottes Geschichte. Wenn sein Wort uns die Wahrheit sagt und alle Wirklichkeit um uns herum diese Wahrheit nicht zerstört. Gott ist ein Gott, der mich sieht, der mich sucht und liebt.

Wir wünschen Ihnen, Iiebe Leserinnen und Leser, Halt in unsicheren Zeiten und die Erfahrung, dass Gott Sie sieht, sucht und liebt.

Text: Pfarrer Ralf Arnd Blecker, Dillenburg